Mütter der Macht – Der heilige Met

Eine Erkundung des heiligen Weiblichen und seiner initiatorischen Funktion im germanischen Heidentum

Der nächste Themenschwerpunkt dieser Artikelserie ist die Natur des heiligen Met und seine spirituelle Bedeutung. Die Darstellung von spirituellem Wissen als Flüssigkeit ist ein zentrales indoeruopäisches Thema, von Indien bis Irland. Die Veden bezeichneten die Substanz als Soma, was gepresst bedeutet. Die Griechen nannten es Nektar, was soviel wie todeslos bedeutet, und die nordisch-germanischen Quellen bezeichnen es entweder als minnisdrikk, odreiri – was soviel wie „Erinnerungstrunk“ bzw. „Rauschspender“ bedeutet – oder einfach als wertvollen Met. Unabhängig von der Bezeichnung ist das Getränk ein Symbol der Initiation und wird von weiblichen Figuren zubereitet, bewacht und angeboten. Dieses Thema zieht sich durch die gesamte indoeuropäische religiöse Sphäre, was darauf hindeutet, dass alle späteren kulturellen Varianten des Initiationsritus ihre Wurzeln in einer gemeinsamen, alten Initiationspraxis haben.

Obwohl Diskussionen über die genaue Beschaffenheit der Tränke interessant sind, geht es in diesem Artikel nicht um die materielle Substanz, sondern vielmehr um ihre spirituelle Bedeutung.

Daher werde ich davon absehen, über die Natur des heiligen Met zu spekulieren. Es gibt Tausende von Seiten, auf denen behauptet wird, es handele sich um Marihuana, DMT oder LSD, und dass die antike Religion im Wesentlichen das Ergebnis eines Drogenrausches sei. Ich halte nichts von diesen Behauptungen, weil sie die Fähigkeit des menschlichen Geistes negieren, die spirituelle Realität ohne die Einwirkung psychoaktiver Substanzen zu erfahren. Ich denke, die Diskussionen über die materielle Grundlage des Getränks sind nebensächlich. Die Fauna ist an den verschiedenen Orten, an denen das Getränk bezeugt ist, völlig unterschiedlich: In Griechenland, Indien und Skandinavien, allesamt Orte, an denen das fragliche Konzept erwähnt wird, finden sich extrem wenige der gleichen Pflanzen. Im Rig-Veda heißt es außerdem ausdrücklich, dass Soma in allen Pflanzen und sogar im Wasser vorkommt (1). Ein weiterer gemeinsamer Nenner ist das Sanskrit-Wort madhu (2), das Honig oder süß bedeutet und im Altnordischen als mjadr oder Met wiedergegeben wurde. Honig könnte also auch ein Träger von Soma sein, wie etwa der germanische und norwegische Met. Eine weitere Substanz, die in den Veden als guter Somaträger erwähnt wird, ist Gerste, von der wir wissen, dass sie bei der Zubereitung des psychoaktiven Getränks in den Eleusischen Mysterien in Griechenland verwendet wurde. Unabhängig von der Hauptzutat, die für die Zubereitung von Soma verwendet wurde, Nektar oder Kvasir, scheint die Fermentation ein wichtiger Bestandteil des Prozesses gewesen zu sein. Mit anderen Worten, es gab viele verschiedene Zutaten, die für die Zubereitung des göttlichen Getränks verwendet werden konnten.

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Der Grund dafür – so meine ich – ist, dass die Art der in den Ritualen verwendeten Substanz von geringerer Bedeutung war: Was zählte, war ihre Umwandlung in ein Gefäß für spirituelle Kraft, ihr ritueller Kontext. Diese Formel ist in der heiligen Messe der katholischen Kirche, in der Brot und Wein geistig in den Leib und das Blut Christi verwandelt werden, immer noch sehr lebendig. Die spirituelle Formel der Transsubstantiation ist jedoch kein ausschließlich christliches Phänomen: Sie ist ein uralter heiliger Akt, der im Herzen des indoeruopäischen Geistes verwurzelt ist. Bei der Transsubstantiation wird, wie der Name schon sagt, eine materielle Substanz geweiht, wodurch die Materie mit geistiger Kraft erfüllt wird. Diese Formel war in der germanischen Religion von größter Bedeutung, wo das gemeinsame Mahl und Trinkfest (3) den Höhepunkt aller Rituale darstellte. Im Hinduismus ist bis heute eine der wichtigsten Handlungen während einer Puja, eines Rituals, das Essen des Prasad, der den Göttern dargebrachten Speisen. Dies war auch der zentrale Teil des alten germanischen blót.

Daher sollten wir das Elixier selbst nicht als eine Substanz betrachten, sondern vielmehr als ein spirituelles Prinzip, das von den Lebenssäften verschiedener Pflanzen und Naturstoffe getragen wird. So können wir Soma oder heiligen Met als die Essenz der materiellen Nahrung, die Seele der Pflanze betrachten: das, was die yogische Tradition Prana nennt, oder die allen Formen innewohnende Lebensenergie, die auf den menschlichen Geist reagiert. Prana, die Lebensenergie, kann durch rituelle Interaktion transformiert und auf bestimmte Zwecke, wie etwa Heilung, ausgerichtet werden.

Unabhängig davon haben wir es hier mit dem spirituellen Mysterium der Transsubstantiation zu tun, der Formel, durch die sich das Göttliche in der Materie verwirklicht und sich das Göttliche in der Welt inkarniert, wobei es sich seiner selbst voll bewusst ist und ohne Vorbehalt an der spirituellen und materiellen Natur gleichermaßen teilhat. In diesem Sinne verweisen Soma und heiliger Met auf die Initiationsreise selbst, die, wie wir bereits gesehen haben, um die Idee kreist, die eigene göttliche Natur nicht als etwas von der Welt Getrenntes, sondern als etwas in der Welt Verkörpertes zu erkennen – oder wiederzuentdecken: durch das Exil der Seele in der Welt der Materie wieder in die eigene göttliche Natur eingeführt zu werden. Die Herausforderungen, denen sich der Held stellen muss, destillieren diese Essenz heraus: Sie drängen sie aus ihrer sterblichen Hülle zur vollen Entfaltung.

Wir neigen dazu, das Spirituelle als etwas zu betrachten, das sich vom Alltäglichen abhebt, als etwas, für das wir uns für das wir uns Zeit nehmen, wenn wir nicht mit unserem Alltagsleben beschäftigt sind. Deshalb suchen wir das Spirituelle außerhalb unserer alltäglichen Umgebung, reisen an fremde Orte und suchen nach exotischen Praktiken, anstatt statt auf das zu schauen, was in der Welt, in der wir täglich leben, direkt vor uns liegt. Die Reisen, die in den den Mythen der großen Helden, die wir in diesem Text kennen gelernt haben, sind nicht unbedingt wörtlich zu nehmen. wörtlich genommen werden. Die Reise des Helden ist eine innere Reise, und die Natur seiner Taten ist universell, für alle zugänglich die bereit sind, seinem Beispiel nachzueifern und im Namen des geistigen Wachstums bereitwillig Entbehrungen auf sich zu nehmen. Wenn so gelesen, wird die physische Welt, die wir bewohnen, zur Schwelle des Tempels der Einweihung, und die individuellen Schwächen zu den Widersachern, denen wir uns stellen müssen. Die Mühsal der Überwindung dieser Schwächen zu überwinden, nimmt die mythische Form der Prüfung des Helden an, und die weibliche Initiatorin wird zur Natur selbst, Form, Leben – die große Göttin.

  1. Die Soma-Eigenschaften des Wassers sind in den Flüssen, die aus dem Himalaya herunterfließen, besonders stark. Rig-Veda 10:97:7 und 7:49:4
  2. मधु
  3. Das sumbl in ON oder symbl in angelsächsisch, bekannt aus den nordischen Sagas und dem beowulf, und später als gilde, war ein wesentlicher Teil des germanischen Hauptrituals, des blót, und man war gesetzlich verpflichtet, dazu beizutragen und daran teilzunehmen.

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Über den Autor

Henrik Lysøe - Norse Tradition

Norse Tradition ist eine gemeinnützige Organisation aus Norwegen, die es sich zur Aufgabe gesetzt hat, den Reichtum der nordischen spirituellen Tradition zu vermitteln und zu fördern. Wir veranstalten regelmäßige Vorträge, private Ausbildungen und Rituale, sowie Exerzitien im Zusammenhang mit saisonalen Feierlichkeiten. Wir arbeiten anhand einer rekonstruktiven Methode basierend auf einem Indo-Europäischen Synkretismus. Das bedeutet, dass wir die nordische Tradition und ihr Erbe, um sie besser zu verstehen, im Lichte ihrer Wurzeln in der proto-indo-europäischen Kultur betrachten.

Wir praktizieren weder eine bloße Nachstellung historischer Sitten, noch beabsichtigen wir eine moderne spirituelle Praxis zu erfinden, die lediglich mit nordischen Begriffen und Symbolen garniert ist; vielmehr übermitteln wir eine lebendige Tradition. All unsere Vorträge und Riten basieren auf anerkannten akademischen und historischen Quellen der nordischen, vedischen, angelsächsischen, griechisch-römischen oder anderer indo-europäischer Kulturen. Wir erfinden nichts neues; was wir lehren und praktizieren hat tiefe, uralte Wurzeln.

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