Ehre
Frauen in der Wikinger-Zeit legten, ebenso wie ihre Männer, Wert auf Ehre. Die Beleidigung einer Hausfrau war ebenso verwerflich wie eine Beleidigung des Hausherren. Beleidigungen wurden in der Wikinger-Zeit nicht als Nebensächlichkeit betrachtet. Der Angriff auf die Ehre einer Person war ein Angriff auf die gesamte Blutlinie und wurde nicht selten mit dem Tod gerächt. Die Menschen der nordischen Gesellschaft verfolgten ihre Abstammung sowohl auf der mütterlichen als auch der väterlichen Seite, wobei beiden Seiten gleich bedeutend waren. Es galt als sehr wichtig, einer ehrbaren Blutlinie anzugehören und diese Ehre der Abstammung war in vielerlei Hinsicht das „soziale Kaptal“ der Wikinger-Zeit.
Die nordische Geschichte kennt zahlreiche Beispiele dafür, wie unsere Vorfahren die Ehre ihrer Blutlinie verteidigten. Zahlreiche Frauen, oft Witwen, stellten sicher, dass ihre Söhne Schwerter und Schiffe besaßen, damit sie auf Plünderfahrt gehen konnten. Das tritt z.B. deutlich in Egils Saga hervor, wo Egil ein Gedicht rezitiert, das davon erzählt, wie ihn seine Mutter zu großen Taten anspornte:

„So sprach meine Mutter
Du sollst dir kaufen
Ein Schiff mit guten Rudern
Auf Plünderfahrt gehen mit Wikingern
Aufstehen am Bug
Dein edles Schiff steuern
Voran zu den Häfen
Feinde fällen links und rechts“
Einige der brutalsten und epischen nordischen Sagas sind eng verknüpft mit weiblicher Ehre und Rache. Ein Beispiel hierfür ist Njåls Saga, in der eine erstaunliche Anzahl von Leuten mit ihrem Leben dafür büßen müssen, dass die Edelfrau Bergthora eine andere Edelfrau beleidigte. Bergthora entscheidet sich, zusammen mit ihrem Mann zu verbrennen, anstatt ihn zum Sterben zurück zu lassen, wofür sie hoch geehrt wurde.
Völva
Das Wort „Völva“ kommt von einem altnordischen Wort für „Stab“. In manchen Gräbern der Wikinger Zeit finden sich Frauen, die mit einer bestimmten Art von Stab begraben wurden. Es wird vermutet, dass dieser Stab wahrscheinlich genutzt wurde, um Geister zu binden, welche die Frau durch den Einsatz von „galder“, einer Art magischen Gesangs, herbeirief.
Die Völva war äußerst mächtig und deshalb auch gefürchtet. Die Sagas geben das Beispiel einer Völva, welche die Halle eines Edelmanns besucht und dort den höchsten Sitz erhält, was damals als eine der höchsten Ehrerbietungen betrachtet wurde.

Völvas werden nicht nur in der altnordischen Literatur erwähnt, sondern auch von unseren südlichen Verwandten in Europa. Sowohl der römische Historiker Tacitus als auch der griechische Abenteurer Pythias sprechen in ihren Texten von diesen gefürchteten und geheimnisvollen Wesen. Tatsächlich waren die Völvas sogar aktive Teilnehmer im Krieg und ihr „galder“ und Magie waren vom Heer hochgeschätzt.
Die Völva ist eines der mysteriösesten Phänomene der altnordischen Gesellschaft. Diese Frauen wandelten ungehinderten zwischen unserer Welt und der Welt der Geister.
Über den Autor
Norse Tradition
Norse Tradition ist eine gemeinnützige Organisation aus Norwegen, die es sich zur Aufgabe gesetzt hat, den Reichtum der nordischen spirituellen Tradition zu vermitteln und zu fördern. Wir veranstalten regelmäßige Vorträge, private Ausbildungen und Rituale, sowie Exerzitien im Zusammenhang mit saisonalen Feierlichkeiten. Wir arbeiten anhand einer rekonstruktiven Methode basierend auf einem Indo-Europäischen Synkretismus. Das bedeutet, dass wir die nordische Tradition und ihr Erbe, um sie besser zu verstehen, im Lichte ihrer Wurzeln in der proto-indo-europäischen Kultur betrachten.
Wir praktizieren weder eine bloße Nachstellung historischer Sitten, noch beabsichtigen wir eine moderne spirituelle Praxis zu erfinden, die lediglich mit nordischen Begriffen und Symbolen garniert ist; vielmehr übermitteln wir eine lebendige Tradition. All unsere Vorträge und Riten basieren auf anerkannten akademischen und historischen Quellen der nordischen, vedischen, angelsächsischen, griechisch-römischen oder anderer indo-europäischer Kulturen. Wir erfinden nichts neues; was wir lehren und praktizieren hat tiefe, uralte Wurzeln.